Forschung

Die Datenerhebung des Wissenschaftspraxisprojektes basiert auf zwei Säulen: der partizipativen Forschung durch Jugendliche in ihren eigenen Mikroprojekten und den Leitfadeninterviews mit jungen Menschen. Das Projekt geht dementsprechend methodenplural und teilweise, aufgrund der partizipativen Ansätze, ergebnisoffen vor.

Das Projektteam ermöglicht zum einen den Rahmen für Mikroprojekte, die von den jungen Menschen zwischen 14 und 27 Jahren thematisch sowie methodisch mitbestimmt, mitgestaltet und umgesetzt werden. In diesem partizipativen Setting werden junge Teilnehmende des Projektes zu Co-Forschenden. Das Team übernimmt hierbei eine Begleitfunktion und unterstützt die jungen Co-Forschenden in ihrem jeweiligen Gruppenbildungs- sowie Forschungsprozess. Zudem werden Leitfadeninterviews und Gruppendiskussionen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchgeführt, um unter anderem  lebensweltliche Aspekte und Perspektive der jungen Co-Forschenden sowie Nicht-Co-Forschenden in Bezug auf ihr Geschichtsverständnis und die Erinnerungen miteinzubeziehen. Das Projekt beschäftigt sich mit der Frage, wie Jugendliche und junge Erwachsene politisch und sozial Vergangenes rekonstruieren und welche Rolle ihre eigenen individuellen, familiären und gruppenbedingten Narrative in ihrem Geschichtsverständnis spielen.

Workshop einer Co-Forschendengruppe im Rahmen der Tagung "partizipativ.erinnern - Praktiken, Forschung, Diskurse" 23. September 2022

Die vorliegenden Methodensteckbriefe wurden im Rahmen des Wissenschaftspraxisprojekts PEPiKUm (Partizipative Erinnerungspädagogik in Koblenz und Umgebung) für die partizipative Arbeit mit Co-Forschenden entwickelt. Im Projekt PEPiKUm lernen die Co-Forschenden verschiedene Methoden der qualitativen Sozialforschung kennen und setzen diese im Rahmen ihrer eigenen Mikroprojekte über selbst ausgesuchte Themen im Feld der Erinnerung um. Für diesen Zweck hat das Projektteam qualitative Datenerhebungsmethoden, u.a. Leitfadeninterviews, Gruppendiskussion oder teilnehmende Beobachtung, angepasst. Dieser Methodenkoffer beinhaltet zudem die in der partizipativen Sozialforschung gängigen Methoden, wie z.B. (kollektives) kritisches Kartieren und Photovoice. Die Methodensteckbriefe sind gedacht als vereinfachte Einstiegsformen für Datenerhebung im Kontext der Co-Forschung.

Die Methoden im Einzelnen

Was muss ich vorher wissen?

Andere Menschen (Porträtaufnahmen) nur mit Zustimmung fotografieren. In diesem Fall wird für den Datenschutz ein Formular benötigt.

Bilder dürfen nicht ohne Einverständnis veröffentlicht werden.

Beschreibung

Mit dieser Methode erkunden Co-Forschende ihre Umgebung und Sozialraum aus dem Blickwinkel einer bestimmten Fragestellung oder Thematik heraus mit einer Kamera. Sie wählen selbstständig aus, was sie fotografieren möchten. Durch die eigene Auswahl von fotografierten Objekten entsteht eine subjektive Sammlung von Eindrücken, die im weiteren Verlauf in der Gruppe gemeinsam betrachtet, kommentiert und interpretiert wird.

Ziel

  • Subjektive Eindrücke und Bewertungen der Co-Forschenden können herausgearbeitet und im anschließenden Gruppengespräch neu bewertet und analysiert werden.
  • Durch das Gespräch können komplexere Bilder und Qualitäten des Sozialraums erarbeitet werden.
  • Die gemeinsame Interpretation sowie Vergleiche, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Wahrnehmung der einzelnen Co-Forschenden stehen im Zentrum der Methode.

Schritte

  1. Themenfindung und Zeitraum festlegen: Zu welchem Thema bzw. zu welcher Fragestellung sollen Fotos gemacht werden? Wie viel Zeit gibt es dafür?
  2. Durchführung: Die Co-Forschenden machen Fotos ihrer Umgebung. Entweder mit eigenen oder ausgeliehenen Kameras. Hierbei kann ein Forschungstagebuch geführt werden, um aufkommende Gedanken festzuhalten.
  3. Auswertung: Die Co-Forschenden treffen sich wieder in der Gruppe und stellen ihre Fotos vor. Sie erklären, warum sie bestimmte Objekte ausgewählt haben und diskutieren gemeinsam über die unterschiedlichen Motive und Interpretationen. Wichtige Ergebnisse der Diskussion werden festgehalten.
  4. Veröffentlichung/ Weiterverarbeitung: Die zentralen Ergebnisse (oder ausgewählte Bilder) können veröffentlicht werden oder in virtuelle Stadtpläne eingestellt werden.

Equipment

  • Kamera
  • Forschungstagebuch
  • Datenschutzformulare
  • Notizblock (analog oder digital)

Beispiel

Die Co-Forschenden diskutieren darüber, ob und zu welchem Anlass es Orte des Gedenkens in ihrer Wohngegend bzw. in dem jeweiligen Sozialraum gibt. Um dies herauszufinden, begehen sie ihre Umgebung und fotografieren alles, was sie mit Gedenken und Erinnern in Verbindung bringen. Nach einer Woche treffen sich die Co-Forschenden wieder und betrachten, vergleichen und diskutieren ihre Ergebnisse.

Tipps!

  • Aus den einzelnen Fotos können im Nachgang auch ganze Fotoreihen oder Filme erstellt werden. Für eine konstruktive Diskussion am Ende ist es ratsam, dass sich die Gruppe bereits etwas besser kennt. Es empfiehlt sich außerdem Gruppen mit einer Mindestzahl von vier Personen zusammenzustellen.
  • Mit der Methode lassen sich auch ländliche und städtische Umgebungen gegenüberstellen.

 

Literatur

Deinet, Ulrich/Krisch, Richard (2009): Autofotografie, in: sozialraum.de (1) Ausgabe 1/2009. Online verfügbar unter: www.sozialraum.de/autofotografie.php; Stand: 16.01.2023.

Deinet, Ulrich (2009): Analyse und Beteiligungsmethoden, in: ders. (Hrsg.): Methodenbuch Sozialraum. Wiesbaden: VS-Verlag.

Krisch, Richard (2009): Sozialräumliche Methodik der Jugendarbeit. Aktivierende Zugänge und praxisleitende Verfahren. Weinheim und München: Beltz Juventa.

 

Was muss ich vorher wissen?

Durchführung und Aufzeichnung von Interviews nur nach vorheriger, schriftlicher Einverständniserklärung.

Beschreibung

Bei einem Expert:innen-Interview befragen die Co-Forschenden mithilfe eines Leitfadens Expert:innen, die aufgrund ihrer Position in bestimmten Einrichtungen über ein besonderes Wissen rund um eine bestimmte Institution, Gruppe oder Gemeinde verfügen. Expert:innen-Interviews werden vor allem dann durchgeführt, wenn das Forschungsinteresse sich um ein bestimmtes (Fach-)Wissen dreht, nicht jedoch um z.B. Meinungen abzufragen. Für Leitfaden siehe auch Leitfaden-Interviews.

Ziel

  • Einblicke in spezifische, institutionsbezogene Abläufe erhalten.
  • (Fach-)Wissen in Bezug auf eine besondere Tätigkeit / einen besonderen beruflichen Hintergrund erfragen.
  • Im Vordergrund steht das im Rahmen einer Tätigkeit erworbene Wissen einer Person / eine:r Expert:in.

Schritte

  1. Themenfindung und Einigung der Co-Forschenden auf bestimmten Forschungs-gegenstand.
  2. Vorbereitung: Erarbeitung der Fragen / des Leitfadens (Einstiegsfrage, Hauptteil, Schluss) sowie einer kurzen erklärenden Einführung, die zu Beginn des Interviews vorgelesen wird.
  3. Die Co-Forschenden suchen nach geeigneten Interviewpartner*innen und stellen Kontakte her.
  4. Durchführung der Interviews:
    1. Einverständniserklärung unterschreiben lassen
    2. Interviewpartner*in über die Aufnahme informieren
    3. Aufnahme beginnen
    4. Einstieg ins Interview (Einführungstext) und erste Frage
    5. Weitere Fragen/Hauptfragen/Abschlussfragen stellen
    6. Für das Interview bedanken.
  5. Transkription (Verschriftlichung) des Interviews und Auswertung (z.B. Kategorien-bildung, Inhalte strukturieren und vergleichen).

Equipment

  • Einverständniserklärung    
  • Aufnahmegerät
  • Leitfaden
  • Notizblock (analog oder digital)

Mögliche Schwierigkeiten

  • Manchmal sind Expert:innen sehr beschäftigt (wie ein:e Bürgermeister:in) oder verfügen sogar über klassifiziertes Wissen zu Rahmenbedingungen und Richtlinien.
  • Die Befragung von Expert:innen, die einem selbst nahestehen (z.B. die Leitung der eigenen Einrichtung) ist nicht empfehlenswert, weil das Gespräch das Arbeitsverhältnis beeinflussen kann.
  • Interviews müssen eventuell mit längerer Vorlaufzeit geplant werden.

Beispiel

Beim Besuch einer Gedenkstätte fällt Kim auf, dass dort vor allem Schulklassen anwesend sind. Erwachsene und Einzelpersonen abseits von Schulkassen nimmt Kim nicht wahr. Kim stellt sich die Frage, ob diese Beobachtung nur zufällig ist oder ob dieses Phänomen tatsächlich eine Herausforderung für Gedenkstätten darstellt. Gleichzeitig interessiert Kim auch, ob die Gedenkstätten dies als problematisch bewerten oder etwas dagegen unternehmen. Gemeinsam mit den anderen Co-Forschenden entwickelt Kim einen Fragebogen (Leitfaden). Kim und Ben nehmen Kontakt zu einer Gedenkstätte nähe des eigenen Wohnorts auf und können hier eine Mitarbeiterin für ein Expertininterview gewinnen. Nach der Aufnahme wird das Interview transkribiert. Danach besprechen sie mit den anderen Co-Forschenden das Interview.

 

Literatur

Bogner, Alexander/Littig, Beate/Menz, Wolfgang (Hrsg.) (2002/2009): Experteninterviews. Theorien, Methoden, Anwendungsfelder. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Meuser, Michael/Nagel, Ulrike (2002/2009): Experteninterview und der Wandel der Wissensproduktion, in: Bogner, Alexander/Littig, Beate/Menz, Wolfgang (Hrsg.): Experteninterviews. Theorien, Methoden, Anwendungsfelder. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 35 – 60.

 

Was muss ich vorher wissen?

  • Andere Menschen (Porträtaufnahmen) nur mit Zustimmung filmen.
  • Bilder dürfen nicht ohne deren Einverständnis veröffentlicht werden (Datenschutz).
  • In diesem Fall wird für den Datenschutz ein Formular benötigt.

Beschreibung

Ethnographie ist eine Forschungsmethode, bei der eine soziale, kulturelle und/oder religiöse Gruppe in ihrem Alltag beobachtet wird.

Videographie ist eine Dokumentationsmethode, bei der das Beobachtete mit einer Video-Kamera aufgezeichnet wird, ohne dass die Co-Forschenden in das Geschehen eingreifen. Bei der fokussierten Ethnographie werden bestimmte Personen und Gruppen in speziellen Situationen gefilmt.

Ziel

  • Ein Forschungsfeld (z.B. eine Jugendgruppe, ein Ort oder ein Viertel etc.) kann mit all seinen Aspekten betrachtet werden.
  • Das Geschehen bzw. (soziale) Interaktionen können so analysiert werden.

Schritte

  1. Themenfindung und Einigung der Co-Forschenden auf einen bestimmten Forschungs-gegenstand.
  2. Datenerhebung: Gemäß des Forschungsinteresses sollte so viel Datenmaterial (Filme) wie möglich hergestellt werden. Nach Möglichkeit von unterschiedlichen Personen in ähnlichen Situationen oder von den gleichen Personen in unterschiedlichen Situationen, um eine hohe Vergleichbarkeit zu erreichen.
  3. Datenmaterial gemeinsam betrachten, analysieren und auswerten.

Equipment

  • Video-Kamera und Stativ
  • Notizblock (analog oder digital)

Mögliche Schwierigkeiten

  • Wenn Menschen gefilmt werden, neigen sie unter Umständen dazu, ihr Verhalten anzupassen oder zu verändern, was die Aussagekraft der Forschung mindern kann.
  • Über einen längeren Zeitraum oder in vielen Situationen zu filmen macht Sinn, damit die Menschen ein Vertrauensverhältnis entwickeln und sich an die Kamera gewöhnen.

Beispiel

In der Stadt gibt es aktuell nur wenige Räume, wo junge Menschen willkommen sind und rumhängen können. Nina und Jim interessieren sich für eine jugendgerechte Gestaltung ihres Viertels. An einem Skatepark treffen sich daher verschiedenste Jugendliche, auch wenn sie kein Skateboard fahren. Hier stellen Nina und Jim ihre Kamera auf und fragen Menschen, die in Nahaufnahmen zu sehen sind um ihre schriftliche Erlaubnis (bzw. die der Erziehungsberechtigten). In einer Gruppendiskussion laden sie später verschiedene Menschen zur Auswertung ein.

Tipps!

  • Eindrücke oder Hintergrundinformationen, die in dem Video nicht zu sehen sind, sollten zusätzlich notiert werden. So können sie in die spätere Analyse mit einbezogen werden.

 

Literatur

Knoblauch, Hubert (2001): Fokussierte Ethnographie. Soziologie, Ethnologie und die neue Welle der

Ethnographie. Sozialer Sinn, Jg. 2 (1), S. 123 – 141.

Knoblauch, Hubert (2004): Die Video-Interaktions-Analyse. Sozialer Sinn, Jg. 5 (1), S. 123 – 138.

Knoblauch, Hubert/Schnettler, Bernt (2009): Videographie. Erhebung und Analyse qualitative Videodaten, in: Buber, Renate/Holzmüller, Hartmut H. (Hrsg.): Qualitative Marktforschung. Konzepte – Methoden – Analysen. Wiesbaden: Gabeler Verlag/Springer Fachmedien, S.583 – 599.

Knoblauch, Hubert/Schnettler, Bernt (2012): Videography: Analysing video as a ‚focused‘ ethnographic and hermeneutical exercise. Qualitative Research, Jg. 12 (3), S. 334 – 356.

 

Was muss ich vorher wissen?

  • Alle Co-Forschenden müssen über ein geeignetes Endgerät (Computer, Tablet, Konsole etc.) verfügen, um gemeinsam spielen zu können.
  • Fehlt ein Endgerät, kann dieses vielleicht ausgeliehen oder anderweitig besorgt werden.

Beschreibung

Bei der Game Analyse spielen die Co-Forschenden einzeln (jede:r für sich) ein zuvor gemeinsam ausgewähltes Computerspiel. Vor dem Spielen entwickeln die Co-Forschenden einen Fragenkatalog, den jede:r einzeln ausfüllt. Anhand des Fragebogens wird das Spiel(-erlebnis) z.B. in einer Gruppendiskussion gemeinsam behandelt. Hierbei werden auch eigene Ideen für den Umgang mit Computerspielen besprochen und nach Möglichkeit sogar neue Ideen für eigene Spiele entwickelt, was sich Pitching nennt (die später eventuell auch umgesetzt werden können).

Ziel

  • Die Game Analyse ermöglicht es Computerspiele kritisch zu reflektieren.
  • Beim Pitching können Spielideen selbst neu entwickelt werden.
  • Lerninhalte (von Lernspielen) werden nicht nur abgearbeitet, sondern kritisch hinterfragt und mitbestimmt.

Schritte

  1. Festlegung auf ein Spiel, das von allen gespielt werden soll. Es wird besorgt und allen zur Verfügung gestellt.
  2. Die Co-Forschenden erstellen einen Fragebogen. 
  3. Die Co-Forschenden spielen das Computerspiel jeweils für sich allein und füllen den Fragebogen aus.
  4. Mithilfe der Fragebögen findet nach dem Spielen eine Gruppendiskussion statt, bei welcher das Spiel analysiert wird. 
  5. Ausgehend von der Analyse können einige Ideen (Storyboards, Zeichnungen, erste Gameplay-Beispiele usw.) für die Erstellung eines neuen Spiels entwickelt werden. Je nach Möglichkeit können diese Ideen auch umgesetzt werden.

Equipment

  • Endgerät, auf welchem das Spiel gespielt werden kann (PC, Tablet, Konsole etc.)
  • Fragebogen (Stift, Papier)
  • das ausgewählte Computerspiel

Beispiel

Ferhat und Marie interessieren sich für die Frage, wie Migration und Flucht thematisiert wird und welche emotionalen Effekte dies bei Spielenden hinterlässt. Können sich Menschen besser in Menschen spielend hineinversetzen? In einer Co-Forschendengruppe schlagen die beiden ihre Ideen vor sowie ein mögliches Spiel (Last Exit Flucht). Alle Spielenden erhalten vorher von Ferhat und Marie einen Fragebogen, der ihre Forschungsfrage abdeckt (z.B. was ist deine Verbindung zum Thema Flucht und Migration?). Danach wird gespielt. Der Fragebogen wird ausgefüllt, von jeder Person einzeln. Im Nachgang an das Spiel diskutiert die Gruppe über die Ergebnisse. Was kann das Spiel? Hat es einen emotionalen Bezug zum Thema Migration und Flucht hergestellt? Konnten sich die Spieler:innen besser in die Lage von geflüchteten Menschen hineinversetzen? Wo können Probleme des Spiels liegen? Gab es etwas, das irritierend war? Wo könnte das Spiel verbessert werden? Was brauchen Spiele, um das Thema Flucht und Migration zu thematisieren?

Tipps!

  • Für die Neuentwicklung eines Spiels kann ein sogenanntes Pitch-Jam organisiert werden.
  • Dazu können auch weitere Expert:innen, wie z.B. Spielentwickler:innen, eingeladen werden.

 

Literatur

Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und digitale Spiele (2021): Call for Blogposts: “Mehr als nur Zeitvertreib?” Wissenschaftliche Perspektiven auf analoge Spiele. Online verfügbar unter:  https://gespielt.hypotheses.org/ (Stand: 02.08.2021).

Hawlitschek, Anja (2013): Spielend lernen: didaktisches Design digitaler Lernspiele zwischen Spielmotivation und Cognitive Load. Berlin: Logos-Verlag.

Richter, Marcus/ Jacobsen, Nathalie/ Zimmermann, Felix/ Uzunoğlu, Çiğdem (2020): Erinnerungskultur und Games – Herausforderungen und Potentiale. In: Stiftung Digitale Spielekultur (Hrsg.): Podcast: Erinnern mit Games, Folge 1. Online verfügbar unter: www.stiftung-digitale-spielekultur.de/project/initiative-erinnern-mit-games/  (Stand: 02.08.2021).

Stiftung Digitale Spiele Kultur (Hrsg.) (2020): Erinnern mit Games. Digitale Spiele als Chance für die Erinnerungskultur. Online verfügbar unter: www.stiftung-digitale-spielekultur.de/app/uploads/2020/08/SDK_Erinnern-mit-Games_bfrei.pdf (Stand: 02.08.2021).

 

Was muss ich vorher wissen?

  • Als Moderator:in muss man das Gruppen-geschehen stets im Blick haben und darauf achten, dass jede:r ungefähr gleich oft zu Wort kommt.
  • Ideal ist eine Gruppengröße von sechs bis zehn Personen, jedoch nicht mehr als zwölf.
  • Aufzeichnung von Diskussion nur nach vorheriger schriftlicher Einverständniserklärung.

Beschreibung

Gruppendiskussionen sind geplante und moderierte Diskussionen in einer Gruppe, zu einem bestimmten Thema oder einer speziellen Fragestellung. Hierbei ist es wichtig, dass möglichst alle Teilnehmer:innen zu Wort kommen und aufeinander Bezug genommen wird. Es geht um Erzählungen, Erfahrungen und gegenseitige Ergänzungen. Zur Dokumentation sollte die Diskussion aufgezeichnet werden.

Ziel

  • In der Gruppendiskussion können vorhandene Meinungen und Positionen untersucht werden.
  • Es kann festgestellt werden, wie Meinungen oder Argumente in der Gruppe ausgehandelt werden.
  • Persönliche Erfahrungen und Meinungsbilder werden berücksichtigt.

Schritte

  1. Themenfindung und Einigung der Co-Forschenden auf einen bestimmten Forschungs-gegenstand.
  2. Die Co-Forschenden suchen nach geeigneten Diskussionsteilnehmer:innen und stellen Kontakte her.
  3. Anhand des Forschungsinteresses werden Gruppen für die Diskussionen zusammengestellt (z.B. Schulklassen, Clique oder anhand von sozialen Kategorien wie Geschlecht, Alter, Beruf, soziale Herkunft etc.).
  4. Die Gruppendiskussion wird durch einen "Erzählstimulus" eröffnet (z.B. ein Thema, ein Dilemma, eine offene Frage oder einen Film etc.). Der Stimulus und alle weiteren Fragen richten sich immer an die gesamte Gruppe. Die Diskussion wird mit einem Aufnahmegerät aufgenommen.
  5. Transkription (Verschriftlichung) der Gruppendiskussion.  
  6. Das transkribierte Gespräch wird von den Co-Forschenden z.B. kategorienbildend analysiert. Dabei werden die Fragestellungen der Gruppe berücksichtigt.

Equipment

  • Aufnahmegerät (Kamera, Diktiergerät oder Mikrophon mit 360° Aufzeichnungsradius)
  • Moderationsleitfaden
  • Notizblock (analog oder digital)
  • Mögliche Schwierigkeiten
  • Eine sogenannte soziale Erwünschtheit kann die Diskussion beeinflussen, wenn z.B. bestimmte Meinungen oder Argumente sozial anerkannter sind als andere.
  • Bei abweichenden Meinungen kann es passieren, dass manche Personen sich nicht mehr zu Wort trauen (Anpassungsmechanismen bzw. Schweigespirale).

Beispiel

Ruth hat während eines Kurzurlaubes in Berlin das Holocaust-Mahnmal besucht. Sie war erstaunt, wie manche Besucher:innen mit den Säulen umgegangen sind, darauf herumgeklettert sind oder inszenierte Fotos gemacht haben. In ihrem Freund:innenkreis finden sich direkt einige Gegenstimmen, die den Umgang mit dem Mahnmal als Form des Erinnerns und Gedenkens begreifen. Mit ihrem Jugendtreff mobilisiert Ruth eine Gruppe, die an einer Gruppendiskussion teilnehmen möchte, wo Meinungen und Argumente ausgetauscht werden. Die Vorbereitung und Moderation übernimmt Ruth mit Hilfe einer Freundin.

Tipps!

  • Ein strukturierter Leitfaden kann als Moderationsrahmen dienen. Er verhilft der Moderation die Diskussion wie einen Trichter zu gestalten – die Fragen werden zunehmend thematischer und engen das Thema ein.
  • Der Leitfaden soll höchstens vier bzw. fünf Fragen beinhalten. Vergiss nicht, dass die Moderation mit ihren Fragen alle Teilnehmer:innen adressieren muss und möglichst jede:r Teilnehmer:in zu Wort kommen soll.
  • In bestimmten Fällen (z.B. Forscher:innen in der Anfangsphase) bzw. je nach Thematik können Gruppendiskussionen besser zu zweit moderiert werden. Eine klare und strikte Aufgabenteilung ist dann unabdingbar.
  • Diese Aufgabenteilung und die Zahl der Moderator:innen sollten im Voraus mitgeteilt werden.

 

Literatur

Bohnsack, Ralf; Przyborski, Aglaja; Schäffer, Burkhard (Hrsg.) (2010): Das Gruppen-diskussionsverfahren in der Forschungspraxis. Opladen: Budrich.

 

Was muss ich vorher wissen?

  • Im Vorfeld klären, zu welchem Stadtteil bzw. Ort mit welchem Schwerpunkt die Gruppe kartieren wird.
  • Wenn mit Bildern gearbeitet wird, dürfen Fotos von anderen Menschen nur mit Zustimmung und Einverständnis gemacht werden. In diesem Fall werden Datenschutzformulare gebraucht.

Beschreibung

Karten sind immer Abbild einer bestimmten Perspektive, sie sind deshalb nie neutral. Gerade „herkömmliche“ Karten bilden meist eine institutionelle Sichtweise ab. Dabei gehen aber oftmals die Perspektiven von weniger sichtbaren Gruppen, häufig auch marginalisierten Gruppen, unter. Durch die Methode „kollektives kritisches Kartieren“ können Räume in ihrer Darstellung neu gedacht werden, indem ihnen ein Austausch verschiedener Stimmen, Perspektiven und Erfahrungen zugrunde liegt. Thema beim Kartieren kann der eigene Wohnort, das eigene soziale Netz, die Schule, der Arbeitsplatz und vieles mehr sein.

Ziel

  • Durch einen gemeinsamen Prozess des Kartierens sollen weniger repräsentierte, nicht gehörte oder auch untypische Perspektiven auf einen Gegenstand hin sichtbar gemacht werden.
  • Durch den gemeinsamen Prozess des Kartierens kann neues Wissen generiert, Bewusstsein für Mitmenschen geschaffen oder auch politische Forderungen artikuliert werden.
  • Ziel ist es ein besseres und gemeinsames Verständnis zu einem bestimmten Raum zu gewinnen.

Schritte

  1. Themenfindung und Einigung der Co-Forschenden auf bestimmten Forschungsgegenstand oder Raum.
  2. Materialcheck und Materialsammlung: Die Co-Forschenden besprechen zunächst, welche Materialien/Programme (digital/analog) gebraucht werden.
  3. Erkundungstour: Erste Begehung des Ortes, der ausgewählt wurde. Hier können Fotos, Notizen und Skizzen gemacht werden.
  4. Kartieren: Nach der ersten Erkundung tauscht sich die Gruppe über die Erfahrungen und Perspektiven der jeweiligen Gruppenmitglieder aus, die dann gemeinsam auf die Karte gebracht werden. Es muss die Skalierung und Darstellung besprochen werden.
  5. Austausch und Diskussion: Die Co-Forschenden diskutieren die Entstehung der eigenen Karte und vergleichen sie mit anderen. Es wird außerdem darüber gesprochen, was mit der Karte passieren soll: Ist eine digitale Veröffentlichung eine Möglichkeit; kann es an eine Behörde weitergeleitet werden?

Equipment

  • Zum Kartieren: Ein oder mehrere große Poster (Pinwand-Größe), Stifte, Tape u.v.m.
  • Für die Erkundungstour:  Notizheft (digital oder analog) und Kamera
  • evtl. Open-Source Software wie z.B. Maps, Organic Maps

Beispiel

Sina möchte den öffentlichen Innenstadtbereich in Köln untersuchen. Dabei geht es ihr darum, welche öffentlichen Räume hier zur Verfügung stehen. Dabei fällt ihr auf, dass es eigentlich keine öffentliche Toilette gibt. Das möchte sie einerseits gerne auf einer Karte kritisch kartieren und dies aber auch einordnen. Bei der Einordnung stößt sie auf das Buch „Feminist City“ (Leslie Kern), in welchem sie von Geschlechteraspekten im öffentlichen Raum, insbesondere Sanitäranlagen und deren Notwendigkeiten, erfährt. Darüber hinaus beschäftigt sie aber auch die Frage von Wohnungslosigkeit und welchen Zugang wohnungslose Menschen eigentlich im öffentlichen Raum, u.a. zu Sanitäranlagen haben. In einer Karte kann sie sehr gut aufzeigen, welche Räume in der Innenstadt als öffentliche Plätze für alle gelten und welche nur durch Konsumverhalten zugänglich werden. Insbesondere für wohnungslose Menschen stellt das ein großes Problem dar. Sina möchte die Karte ins Internet stellen. Eine weitere Idee ist es, die zuständigen Behörden zu kontaktieren.

Tipps!

  • Perspektivwechsel ist oft eine wichtige Bedingung, um den Raum auf eine andere Art und Weise wahrzunehmen oder zu lesen. Manchmal sind auch Gespräche mit betroffenen Menschen wichtig.
  • Andere Maps, z.B. offizielle Stadtkarte oder Google Maps, bieten eine gute Vergleichsbasis. Vergesst allerdings nicht, dass wir heutzutage stark daran gewöhnt leben, mit solchen Karten unseren Alltag zu gestalten. Das heißt, sie können eure eigene Karte schnell beeinflussen. Daher ist es zu empfehlen erst nach Abschluss eurer Karte, solch einen Vergleich zu unternehmen.

 

Literatur

Collective for Popular Education and Creative Protest: orangotango.info

Dammann, Finn/Michel, Boris (Hrsg.) (2022): Handbuch Kritisches Kartieren. Bielefeld: Transcript Verlag.

Kern, Leslie (2021): Feminist City. Claiming Space in a Man-Made World. Penguin House

 

Was muss ich vorher wissen?

  • Der Leitfaden sollte höchstens zehn bis zwölf Fragen beinhalten, die bestenfalls in Blöcke aufgeteilt sind.
  • Die Fragen sollten so überlegt werden, dass sie Beschreibungen von konkreten Fällen oder Erfahrungen beinhalten, damit die Interviewpartner:in das Gespräch mit der eigenen Person verbinden kann.
  • Die Dauer wird im Voraus mitgeteilt.
  • Je nach Thematik sollte ein geschützter Rahmen / Raum für das Interview angeboten werden.

Beschreibung

Im Leitfadeninterview werden Fragen nach einer bestimmten Reihenfolge gestellt, dem sogenannten Leitfaden, der wie ein roter Faden durch das Interview führt. Die Fragen sind dabei recht offengehalten und lassen viel Spielraum zur Beantwortung.

Ziel

  • Die persönlichen Sichtweisen und Erfahrungen der interviewten Person zu einem bestimmten Thema werden erfragt.
  • Fragen können sich auf Erlebnisse in der eigenen Biographie oder auf ein bestimmtes Problem beziehen.

Schritte

  1. Themenfindung und Einigung der Co-Forschenden auf einen bestimmten Forschungs-gegenstand.
  2. Die Co-Forschenden suchen nach geeigneten Interviewpartner:innen und stellen Kontakte her.
  3. Erarbeitung der Fragen (Einstiegsfrage, Hauptteil, Schluss) und Erarbeitung einer kurzen Einführung, die am Anfang des Interviews vorgelesen wird.
  4. Durchführung der Interviews:
    1. Einverständniserklärung unterschreiben lassen
    2. Interviewpartner:in über die Aufnahme informieren
    3. Aufnahme starten
    4. Einstieg ins Interview (Einführungstext) und erste Frage
    5. Weitere Fragen/Hauptfragen/Abschlussfragen stellen
    6. Für das Interview bedanken.
  5. Transkription (Verschriftlichung) des Interviews.
  6. Das transkribierte Gespräch wird von den Co-Forschenden z.B. kategorienbildend oder sequenziell, also nach Sinnabschnitten, analysiert. Dabei werden die Fragestellungen der Gruppe berücksichtigt.

Equipment

  • Einverständniserklärungen
  • Aufnahmegerät
  • Notizblock (analog oder digital)

Beispiel

Ein sozialpädagogisches Forschungsprojekt verfolgt die Frage, welche Erfahrungen junge Geflüchtete in der Offenen Jugendarbeit machen. Das Team möchte herausfinden, ob die Angebote von Jugendzentren den Interessen und Bedürfnissen der jungen Geflüchteten entsprechen. Hierfür treten sie über unterschiedliche Träger der Flüchtlingshilfe in Kontakt mit Jugendlichen. Im Mittelpunkt des Interviews soll die Frage nach den lebensweltlichen Erfahrungen und subjektiven Empfindungen der Jugendlichen stehen. Der Leitfaden beginnt mit der Frage, was für Hobbys und Interessen die Interviewpartner:in hat. Über diesen Einstieg werden im Laufe des Interviews fragen nach den Möglichkeiten der Entfaltung eigener Interessenfelder gestellt und welche Bedeutung für sie Anlaufstellen wie Jugendzentren haben.

Tipps!

  • Besonders der Einstieg ist beim Leitfadeninterview wichtig. Die erste Frage ist ein wichtiger Erzählstimulus und sollte daher wohl überlegt sein.
  • Eine offene Gestaltung des Leitfadens kann ein Vorteil, aber auch eine Herausforderung bei der Umsetzung sein. Sollte das Gespräch mal zum Stocken kommen, können die Co-Forschenden eine „Aufrechterhaltungsfrage“ stellen: "Der Punkt xy, von dem du gerade gesprochen hast, war sehr spannend. Kannst du mehr darüber erzählen?“
  • Sollte mal eine Frage vergessen werden, ist das nicht schlimm. Wichtig ist, dass im Hauptteil die sogenannten Schlüsselfragen gestellt werden, die die Co-Forschenden für am wichtigsten halten.

 

Literatur

Flick, Uwe (2009): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.

 

Was muss ich vorher wissen?

  • Durchführung und Aufzeichnung von Interviews nur nach vorheriger schriftlicher Einverständnis-erklärung.
  • Die Vorgehensweise, dass man keinen strikten Fragenkatalog hat, sollte der Interviewpartner:in vorher erklärt werden.
  • Die Interviewpartner:in bestimmt den Ort des Gesprächs.

Beschreibung

Narrativ bedeutet „erzählend“. Bei narrativen Interviews sollen Menschen ihre Lebensgeschichte erzählen, weil sie über besondere Erfahrungen oder Erlebnisse verfügen (z.B. wenn sie Zeitzeug:in eines bestimmten Ereignisses sind). Bei narrativen Interviews werden im Vorfeld nur sehr wenige Fragen bzw. nur eine Frage vorbereitet. Die Geschichte, also das, was die Person erzählen möchte, steht im Mittelpunkt.

Ziel

  • Die Perspektive der interviewten Person, als Expert:in der eigenen Biographie, steht im Mittelpunkt.
  • Persönliche Erfahrungen, Umgangswege und Sichtweisen auf bestimmte Ereignisse werden ermittelt.
  • Die Lebensgeschichte beleuchtet dabei die gesellschaftlichen Verhältnisse.

Schritte

  1. Themenfindung und Einigung der Co-Forschenden auf einen bestimmten Forschungsgegenstand.
  2. Die Co-Forschenden suchen nach geeigneten Interviewpartner:innen und stellen Kontakte her.
  3. Erarbeitung der Stimulusfrage / Eröffnungsfrage und Vorbereitung einer kurzen, erklärenden Einführung, die zu Beginn des Interviews vorgelesen wird.
  4. Durchführung der Interviews:
    1. Einverständniserklärung unterschreiben lassen
    2. Interviewpartner:in über die Aufnahme informieren
    3. Aufnahme beginnen
    4. Stimulusfrage und anschließende Stegreiferzählung
    5. Wenige Nachfragen stellen. Weitere, offene Fragen stellen, die an das Vorherige und die biographische Erzählung anknüpfen.
  5. Transkription (Verschriftlichung) des Interviews.
  6. Auswertung und Analyse des Interviews in drei Schritten:
    1. Unterteilung des Interviews in verschiedene Sequenzen (Sinnabschnitte)
    2. Betrachtung von Ähnlichkeiten und Kontrasten zu anderen Texten oder Interviews
    3. Mögliche Theoriebildung – Welches Wissen kann aus diesem Interview generiert werden?

Equipment

  • Einverständniserklärung
  • Aufnahmegerät
  • Notizblock (analog oder digital)

Mögliche Schwierigkeiten

  • Bei narrativen Interviews werden nur wenige Fragen gestellt, die zum „freien“ Erzählen auffordern. Die Inhalte und Ergebnisse sind daher schwer zu planen.
  • Nachfragen sollten wohl überlegt getätigt werden.

Beispiel

Ein sozialwissenschaftliches Forschungsprojekt möchte die Bildungsbiographien junger Erwachsener mit körperlicher Behinderung erforschen. Über Para-Sportvereine kommen sie mit jungen Menschen mit unterschiedlichen sozioökonomischen Backgrounds in Kontakt. Das Forschungsteam entscheidet sich für narrative Interviews. Es soll der Frage nachgegangen werden, wie Menschen mit körperlicher Behinderung Übergänge in der Bildungsbiographie – von der Grundschule zur weiterführenden Schule, vom Schulabschluss zum Einstieg in den Beruf – erfahren haben. Als Eröffnungsfrage werden die Interviewpartner:innen gebeten, ihre Schullaufbahn möglichst chronologisch wiederzugeben.

Tipps!

  • Stimulusfrage einfach und verständlich, aber auch wegweisend formulieren.
  • Narrative Interviews können sehr lange dauern (z.B. 3 Stunden); hierauf sollte vor Beginn hingewiesen werden. Gegebenenfalls macht es Sinn einen festen Zeitrahmen zu vereinbaren.

 

Literatur

Bertaux, Daniel (2018): Die Lebenserzählung. Ein ethnosoziologischer Ansatz zur Analyse sozialer Welten, sozialer Situationen und sozialer Abläufe. Opladen: Verlag Barbara Budrich.

Rosenthal, Gabriele (1995): Erlebte und erzählte Lebensgeschichten. Gestalt und Struktur biographischer Selbstbeschreibungen. Frankfurt (Main), New York: Campus Verlag.

Schütze, Fritz (1983): Biographieforschung und narratives Interview. neue praxis, Zeitschrift für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sozialpolitik. Ausgabe 2. S. 283 – 293.

 

Was muss ich vorher wissen?

  • Andere Menschen (Porträt) dürfen nur mit Zustimmung fotografiert werden.
  • Bilder dürfen nicht ohne deren Einverständnis veröffentlicht werden (Datenschutz).
  • In diesem Fall wird für den Datenschutz ein Formular benötigt.

Beschreibung

Zusammenhänge oder Gegebenheiten, die nicht leicht zu verstehen oder unklar sind, warum sie so geworden sind, können mithilfe von Fotos leichter dargestellt werden. Die Co-Forschenden bilden dabei die eigene Umgebung ab und reflektieren, was ihnen diese Bilder und Orte sagen.

Ziel

  • Personen können in ihren eigenen Ansichten und Perspektiven gestärkt werden, indem sie diese abbilden (fotografieren).
  • Probleme im Ort, in der Stadt oder an bestimmten Stellen können aufgezeigt und später in der Gruppe besprochen werden.

Schritte

  1. Themenfindung und Einigung der Co-Forschenden auf einen bestimmten Forschungs-gegenstand bzw. darauf, was sie abbilden wollen.
  2. Erstellung der Fotos – jede Person für sich oder gemeinsam in der Gruppe.
  3. Die Fotos werden in der Großgruppe geteilt, diskutiert und analysiert. Das Gespräch wird aufgenommen bzw. dokumentiert.
  4. Die Gruppendiskussion wird mit ihren jeweiligen Phasen ausgewertet: 1. Die Auswahl der Fotos; 2. Kontext des Fotos (Einordnung in größeren Zusammenhang); 3. Was für Themen stecken im Bild?

Equipment

  • Kamera
  • Forschungstagebuch
  • Datenschutzformulare
  • Notizblock (analog oder digital)

Beispiel

Chloe hat sich schon öfters gefragt, warum sie selbst und die Menschen, die in ihrem Viertel leben, viele verschiedene Sprachen sprechen, aber alle Ämter und wichtigen Angelegenheiten nur auf Deutsch sind. Das empfindet Chloe als ausschließend. Dieser Frage möchte sie nachgehen und fotografiert ihr Wohnviertel, Menschen (mit Einverständnis) und die Schilder, die sie vorfindet. Dabei notiert sie im Forschungstagebuch ihre Gedanken. Anschließend bespricht sie dies gemeinsam in ihrer Forschungsgruppe. Sie diskutieren verschiedene Themen und notiere diese. Am Ende stellen sie sich die Frage, ob Deutschland sich (nicht) als ein multikulturelles und damit mehrsprachiges Land versteht. Sie erstellen eine Ausstellung in ihrem Ort zu der Frage: „Yallah – Vamos – On y ya – Пойдем – Auf geht’s – multikulturelles Leben in unserer Stadt“.

Tipps!

  • Die Phase des Fotografierens sollte zeitlich und / oder durch eine Gesamtzahl an Fotos begrenzt werden.
  • Um die Gedanken zu notieren, sollte ein Forschungstagebuch geführt werden.

 

Literatur

Layh, Sandra/Feldhorst, Anja/Althaus, Rebecca/Bradna, Monika/Wihofszky, Petra (2020): Photovoice-Forschung mit Jugendlichen – ein Leitfaden zur Durchführung. In: Hartung, Susanne/Wihofszky, Petra/Wright, Michael T. (Hrsg.): Partizipative Forschung. Ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methoden. Wiesbaden: Springer VS, S. 233 – 262.

Wihofszky, Petra/Hartung, Susanne/Allweiss, Theresa/Bradna, Monika/Brandes, Sven/Gebhardt, Birte/Layh, Sandra (2020): Photovoice als partizipative Methode: Wirkungen auf individueller, gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene, in: Hartung, Susanne/Wihofszky, Petra/Wright, Michael T. (Hrsg.): Partizipative Forschung. Ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methoden. Wiesbaden: Springer VS, S. 85 – 141.

Wilfling, Diane/Seifert, Janin/Meißner, Marisa/Stenzel, Paul/Likus, Jelka/Friedl, Anja (2017/2020): Photovoice in Bildern erzählt. Projektarbeit an der  Alice Salomon Hochschule Berlin. Online verfügbar unter: opus4.kobv.de/opus4-ash/frontdoor/deliver/index/docId/265/file/Photovoice_2017.pdf (Stand: 02.08.2021)

 

Was muss ich vorher wissen?

  • Im Vorfeld klären, zu welchem Thema oder zu welcher Fragestellung genau ein Stadtteil erkundet wird.
  • Wann und wo die Kleingruppen wieder zusammenkommen, sollte klar abgesteckt sein.

Beschreibung

Mit der Methode der Sozialraumbegehung lernen die Co-Forschenden einen Stadtteil mit Blick auf eine bestimmte Fragestellung oder Thematik besser kennen. Dabei kann es sich auch um einen unbekannten Stadtteil handeln, der erkundet wird und bei dem eventuell auch Kontakt zu Bewohner*innen hergestellt werden kann.

Ziel

  • Die Methode zielt auf die Wahrnehmung der Co-Forschenden ab.
  • Co-Forschende entdecken und dokumentieren ihre Eindrücke im Sozialraum.

Schritte

  1. Themenfindung und Einigung der Co-Forschenden auf einen bestimmten Forschungsgegenstand und eine Art der Dokumentation.
  2. Bildung von Tandems (zwei Personen) und Absprache des Ortes/Stadtteils sowie des Zeitumfangs der Begehung.
  3. Begehen, Sammeln und Dokumentieren der Eindrücke (textuell, visuell und/oder recording).
  4. Teilen der Eindrücke und Materialien mit der Großgruppe; gemeinsame Diskussion der Dokumentationen.
  5. Optional: weitere (strukturierte) Begehung, wo Stationen an bestimmten Orten von einzelnen Gruppen inhaltlich vorbereitet werden.

Equipment

  • Kamera
  • Notizblock (analog oder digital)
  • Map / Karte

Beispiel

Eine Gruppe Jugendlicher erkundet im Rahmen der Projektwoche „Nachhaltige Stadtentwicklung“ ihres Jugendzentrums Bepflanzungen im städtischen Raum. Sie wollen der Frage nachgehen: „Wo gibt es noch ungenutztes Potenzial zur Grünflächenbebauung und Bepflanzung in unserem Stadtteil?“. Bei ihren Begehungen machen sie von Orten Fotos, die ihrer Auffassung nach mehr Grünflächen vertragen könnten. Sie dokumentieren Bepflanzungen, die aufgefrischt werden müssten und kommen mit Bewohner:innen auf der Straße ins Gespräch und fragen diese nach ihren Einschätzungen. Zwei Wochen später tragen sie ihre Materialien zusammen und dokumentieren ihre Ergebnisse auf eine Karte. In Kleingruppen suchen sie einzelne Orte nochmal auf und überlegen sich ein Konzept für die ungenutzten Flächen. In einer weiteren (strukturierten) Begehung stellen die Kleingruppen sich gegenseitig ihre Ideen zu den jeweiligen Orten vor und diskutieren darüber.

Tipps!

Zur Dokumentation wird vor allem das Festhalten der Eindrücke durch Text- oder Audionotizen empfohlen. Videos dagegen sollten die Ausnahme sein und wenn nur kurzgehalten werden. So können die Informationen im Nachhinein besser diskutiert und geteilt werden.

 

Literatur

Deinet, Ulrich/Krisch, Richard (2009): Stadtteil-/Sozialraumbegehungen mit Kindern und Jugendlichen. www.sozialraum.de/stadtteil-sozialraumbegehungen-mit-kindern-und-jugendlichen.php (Stand: 02.08.2021).

Eberhardt, J./Emde, O./Gläser, G./Neumeyer, S./Ribak, S./Schneeweiß, V,/Vrenegor, N. (2020): Stadtrundgänge als politische ‚Bildungsbewegung‘ – gesellschaftlicher Wandel durch räumliches Wandeln. In: Eicker, J. u.a. (Hrsg.): Bildung. Macht. Zukunft. Beiträge der Konferenz ‚Bildung Macht Zukunft. Lernen für die sozial-ökologische Transformation?’. Frankfurt: Wochenschau Verlag, S. 287-299.

 

Was muss ich vorher wissen?

  • Teilnehmende Beobachtung kann offen oder verdeckt durchgeführt werden. Das heißt, die beobachteten Personen wissen von der Forschung oder nicht.
  • Die offene Beobachtung durch die Co-Forschenden kann das Geschehen beeinflussen; eine verdeckte Beobachtung ist ethisch jedoch umstritten.

Beschreibung

Bei der teilnehmenden Beobachtung wird ein Forschungsfeld (z.B. eine bestimmte Personen-gruppe oder das Geschehen an einem bestimmten Ort) untersucht. Hierbei tauchen die Co-Forschenden in das Geschehen mit ein, sie nehmen also aktiv daran teil. Dokumentiert wird die Methode mit Notizen, die während der Beobachtung gemacht werden (Feldnotizen und Forschungstagebuch).

Ziel

  • Mit der teilnehmenden Beobachtung können bestimmte (soziale) Phänomene erforscht werden, zu denen der Zugang sonst schwieriger wäre.

Schritte

  1. Themenfindung und Einigung der Co-Forschenden auf einen bestimmten Forschungs-gegenstand.
  2. Im ersten Teilschritt erfolgt eine allgemeine Beobachtung und Beschreibung der Personen bzw. des Ortes. Die Co-Forschenden lassen die Situation auf sich wirken und notieren alles, was ihnen auffällt, unabhängig von der Forschungsfrage.
  3. Im zweiten Teilschritt wird der Fokus auf Beobachtungen von Situationen oder Handlungen gelegt, die im Zusammenhang mit der Forschungsfrage stehen.
  4. Im dritten Teilschritt erfolgt eine selektive Beobachtung mit dem Fokus auf Aspekten, die besonders relevant sind für die Forschungsfrage und dadurch Beispiele liefern (kann an mehreren Tagen / unterschiedlichen Orten erfolgen).
  5. Die Protokolle werden ausgewertet und hinsichtlich der Fragestellung analysiert (am besten in der Gruppe).

Equipment

  • Notizblock (analog oder digital)
  • Mögliche Schwierigkeiten
  • Nicht alle Phänomene lassen sich beobachten. Manchmal ist es Glück oder Zufall, dass ein bestimmtes Verhalten gezeigt wird.
  • Die Beobachtung braucht manchmal sehr viel Zeit.

Beispiel

Die Co-Forschenden führen eine Diskussion darüber, ob Weltmeisterschaften im Fußball zu mehr Dialog oder mehr Abgrenzung zwischen Fans verschiedener Nationalmannschaften führen. Außerdem kommt in der Gruppe die Frage auf, inwiefern sich nationale Bezüge und Nationalismus zwischen Nationen unterscheidet. Hierfür wollen sie sich das Verhalten von Fans beim Public Viewing genauer ansehen. Wie verhalten sich Fangruppen zueinander, wenn zwei Nationalmannschaften gegeneinander spielen? Welche Nationalfahnen oder andere Symbole sind sichtbar? Was fällt noch bei den Spielen auf? Um diesen und weiteren Fragen nachzugehen, besuchen die Co-Forschenden Spiele im Public Viewing von verschiedenen Nationalmannschaften. Für die Fokussierung konzentrieren sie sich schließlich auf Spiele zweier Länder und vergleichen dabei das Verhalten der Fans.

Tipps!

  • Die Beobachtung kann über einen längeren Zeitraum erfolgen, in dem zunehmend eine Beziehung zu den beobachteten Personen aufgebaut wird.
  • Je tiefer die Co-Forschenden in das Feld eintauchen können, desto mehr sogenanntes Insiderwissen bzw. Insiderhandlungen können sie beobachten.

 

Literatur

Flick, Uwe (2009): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. (2. Aufl.). Hamburg: Rowohlt Verlag.

 

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